Der freie Wille
Aufgrund der Ergebnisse des Libet Experiments zweifeln viele Wissenschaftler den freien Willen des Menschen an. Sie sagen unser Gehirn bestimmt was wir wollen. Wie groß ist unser freier Wille wirklich?
0,35 Sekunden zu früh?
Das Libet-Experiment und Nachfolgeuntersuchungen sagen aus, dass die Neuronen in unserem Gehirn, die für eine bestimmte Bewegung zuständig sind, im Durchschnitt ungefähr 0,35 Sekunden früher aktiv sind als es der ausführenden Person bewusst ist, diese Bewegung ausführen zu wollen.
Es scheint, als entscheide unser Gehirn, was wir als nächstes tun wollen und wir glauben, das wir uns selbst in diesem Moment dafür entschieden haben. Haben wir einen freien Willen? Oder sind wir fremdgesteuert?
Mit meinem Menschenmodell der zwei geistigen Entitäten, die in besonderer Weise miteinander Verschränkt sind, wird klar, warum dieser Zeitverzug notwendig ist weil wir nur so unseren freien Willen haben können. Alles was wir tun, basiert auf unserem freien Willen.
Die Erlebnisentität steht für unser Ich, unser eigenes Bewusstsein, für unseren Geist, für das, das wir als unser Selbst ansehen. Die Körperentität steht für unseren Körper und all dessen internen Funktionen.
Unsere Erlebnisentität hat nur eine Speicherkapazität von 7+- 2 Bedeutungsinhalten (Millersche Zahl). Dies ist unser Kurzzeitgedächtnis. In jedem Moment unserer Existenz erleben wir durchschnittlich 7 Bedeutungen gleichzeitig.
Alle anderen Gedächtnisinhalte werden von unserer Körperentität verwaltet.
Bedeutung ist das, was wir als separate Idee erfassen können. Bedeutungen können einfache Zusammenhänge oder sehr komplexe Zusammenhänge sein, ein Objekt oder ein Subjekt. Ein Düsenjäger, eine Autofahrt, eine mathematische Regel, alles was wir verstehen können.
Wir erleben diesen Verzug nicht
Diese starke Einschränkung unseres Bewusstseins entspricht nicht unserer alltäglichen Erfahrung. Wir haben das Gefühl stundenlang über Gott und die Welt nachdenken zu können, ohne das wir eine Einschränkung empfinden. Woher kommt das?
Die Einschränkung empfinden können wir natürlich nicht, weil wir es nicht anders erleben können. Wir leben schon immer so. Die Einschränkung wird zum Teil dadurch überwunden, dass wir die Inhalte in unserer Erlebnisentität sehr schnell austauschen können.
Unsere Erlebnisentität hat ein externes Gedächtnis, auf das wir sehr schnell zugreifen können. Dieses externe Gedächtnis ist unser Gehirn, das praktisch unbegrenzte Kapazität hat. Die Kapazität unseres Gehirns wird den Erfordernissen ständig angepasst, ohne dass wir dies bewusst beeinflussen können. Wer erzeugt die Anpassung?
Unser Gehirn wird von unserer Körperentität verwaltet, wie unser ganzer restlicher Körper auch. Die Körperentität ist von gleicher oder ähnlicher Qualität wie unsere Erlebnisentität.
Unsere Körperentität kennt und verwaltet alle Rezeptoren und Nervenzellen, wie alle anderen Zellen unseres Körpers. Alle Vorgänge zwischen Materieentitäten laufen nach den physikalischen Gesetzen ab.
Unser Körper bietet alle Handlungsoptionen an
Unsere Körperentität kann unserer Erlebnisentität immer nur wenige (7+-2) Wahlmöglichkeiten anbieten, um in der momentanen Situation das optimale Verhalten auszuwählen. Die Körperentität stellt sich nervlich schon darauf ein, alle angebotenen Optionen schnell auszuführen. Dies erzeugt die Bereitschaftswelle (siehe Libet Experiment).
Unsere Erlebnisentität (unser Ich, unser Bewusstsein, unser Geist) entscheided sich für eine Variante. Diese wird dann sofort von der Körperentität ausgeführt.
Die Bereitschaftswelle ist eine Optimierung, um mit der Einschränkung von 7+-2 Bedeutungen in unserem Bewusstseins noch sehr schnell mit einem freien Willen reagieren zu können. Notwendigerweise muß deshalb unsere Körperentität und unser Gehirn früher aktiv sein, bevor unsere Erlebnisentität damit konfrontiert werden kann.
Im Durchschnitt dauert es etwa 0,35 Sekunden, bevor die Eingangsinformationen unserer Rezeptoren im Gehirn zu den maximal 7+-2 Reaktionsmöglichkeiten als Eingangsinformationen für unsere Erlebnisentität verdichtet wurden und ihr mitgeteilt wurden. Mitgeteilt werden nur die höchsten Bedeutungen des Verdichtungsprozesses.
Deshalb erleben wir auch die Kontinuität in unserem Blickfeld. Bei der Verdichtung werden chemo-physikalische Vorgänge zwischen den Neuronen verwendet, die Zeit dauern.
Der Preis für einen freien Willen sind diese 0,35 Sekunden, die wir in der Vergangenheit leben. Neuere Untersuchungen ergaben einen Wert von 0,1 bis 0,2 Sekunden.
Alle unsere Rezeptoren im Körper pulsen uns fortwährend Reize in unser Nervengeflecht. Einen Teil dieser Rezeptoren repräsentieren unsere Sinne. Diese Reize werden in dem Nervengeflecht in einer Kaskade nach oben verdichtet, bis sie in einer höchsten Bedeutung unseres Jetzt, in einer oder wenigen Nervenzellen ankommen. Maximal 7+- 2 höchste Bedeutungen werden jetzt unserer Erlebnisentität zur Entscheidung vorgelegt.
Unsere Erlebnisentität versteht diese Auswahl an Bedeutungen sofort. Sie kann sich für eine sofort entscheiden oder eine andere, nahe liegende Varianten anfordern und sich dann entscheiden.
Alle Handlungsoptionen sind unsere alten Entscheidungen
Das Nervengeflecht in seinem jetzigen Aufbau enthält das ganze Leben der Person. Alle Erkenntnisse, alle alten Entscheidungen der Vergangenheit sind darin enthalten. Diese Summe an Entscheidungen und Erkenntnissen ist unsere Persönlichkeit. Deshalb versteht unsere Erlebnisenität es auch so, wie sie es schon immer verstanden hat.
Wenn wir uns für eine Bedeutungsvariante entscheiden, dann kann zum Beispiel in unserem Gehirn, von dieser Nervenzelle aus, eine andere Kaskade nach unten gestartet werden, die in einer Vielzahl von Nervenenden landen kann, die dadurch eine komplexe Bewegung ausführt.
Unsere Erlebnisentität teilt der Körperentität seinen Willen mit. Die Körperentität führt diesen Willen aus und lässt uns die Ausführung erleben.
Auf diese Weise haben sich alle Verknüpfungen in dem Neuronengeflecht unseres Nervensystems gebildet, dass unser Gedächtnis ausmacht. Alles in unserem Gedächtnis ist deshalb eine Zusammenfassung von allen freien Willensäußerungen unseres Lebens, beginnend mit den allereinfachsten Entscheidungen zu Beginn unseres Lebens bis zu den komplexen Entscheidungen, die wir ständig als Erwachsene treffen.
Bitte nicht total festlegen
Deshalb kann es traumatische Folgen haben, wenn wir uns als Kind schon auf ein bestimmtes fundamentales Verstehensmuster der Welt festlegen, wie zum Beispiel, die Welt will mich nicht. All ihre zuküftien Entscheidungen werden davon beeinflusst werden und ihren Persönlichkeit als Erwachsener beeinflussen.
Eltern haben hier eine große Verantwortung.
Unsere Körperentität verwaltet unsere Entscheidungen nur und kodiert sie in einer, nur für sie verständlichen Art und Weise im Nervengeflecht des Körpers. Alle Entscheidungen und Erkenntnisse unseres Lebens sind im Nervengeflecht so miteinander verbunden, wie wir sie erlebt haben.
Unser Gehirn ist nur Speicher, kein Denker. Verstehen und Denken kann nur unsere Erlebnisentität.
Warum wir trotz der 0,35 Sekunden, die wir in der Vergangenheit leben, Radfahren können erkläre ich im Beitrag über den Erkenntnisprozess – Mensch. Das obige Beispiel gilt nur für den Normalmodus der Kommunikation zwischen Erlebnisentität und Körperentität. Es gibt noch andere Modii, siehe Die Erlebnisentität.
Alles im Universum ist Prozess, auch das Erleben und das Denken.