Gedächtnisleistungen der Vielzeller

Der Aufbau und die Funktionsweise der Neuronen von Menschen und Tieren sind in vielen Bereichen identisch. Deshalb wurden und werden viele wissenschaftliche Untersuchungen an Tieren vorgenommen, um das Verständnis für die Speicherung von Information in unserem Gehirn zu verbessern.

Strudelwürmer

Bei den Strudelwürmer (Turbellaria) handelt es sich um eine Klasse der Plattwürmer (Plathelminthes). Alle Mitglieder dieser Klasse haben beide Geschlechter. Sie befruchten sich aber gegenseitig. Warum? Wissen sie, dass sie damit die genetische Vielfalt erhöhen, oder macht es ihnen deshalb nur mehr Spaß? Alle frei lebenden Plattwürmer werden zu den Strudelwürmern gezählt. Strudelwürmer sind gliedmaßenlose Tiere mit abgeplattetem Körper, die in Abwässern leben. Strudel- oder Plattwürmer gehören zum Stamm der niederen Würmer. Sie besitzen keine Blutgefäße, haben aber bereits ein einfaches Nervensystem.

Der Strudelwurm Dugesia tigrina und einige weitere Arten haben für die Forschung eine besondere Bedeutung, weil sie über eine nahezu einzigartige Eigenschaft verfügen. In ihrem Bindegewebe besitzen sie überall zahllose Stammzellen, die bei großen und kleinen Verletzungen jederzeit neue Nerven, Muskeln, Sinnesorgane oder anderes Gewebe ausbilden können. Auch ein kleines Wurmstück behält so das Potential zum ganzen Tier. Auf Grund dieser Regenerationsfähigkeit spielt die Planarie eine zentrale Rolle in der Regenerationsforschung. Das Genom der Planarien ist komplett entschlüsselt. Da trotz geringer Verwandtschaft zwischen Planarien und Menschen viele bei Planarien gefundenen Gene auch beim Menschen vorhanden sind, kann das Verständnis über die Regeneration bei Planarien ebenfalls zu Informationen darüber führen, wie man Stammzellen beim Menschen anwenden könnte.

Kopf wächst komplett nach

Wird bei Strudelwürmern der Kopf verletzt oder zerstört, erneuert sich das Gewebe vollständig: Ein neuer Kopf samt Gehirn wächst nach. Hinter dieser besonderen Fähigkeit steckt ein einzelnes Gen, berichteten japanische Forscher. Mit Hilfe dieses Gens könne es vielleicht einmal möglich sein, auch menschliche Nervenzellen zu regenerieren. Das so genannte ndk-Gen sorgt dafür, dass vor allem die gehirnartigen Strukturen im vorderen Teil des Strudelwurms regeneriert und dort verankert werden. Das Gen kommt auch bei Amphibien vor und enthält den Bauplan für einen Wachstumsfaktor, der eine wichtige Rolle in der Gehirnentwicklung spielt, fanden Kiyokazu Agata und seine Kollegen vom Riken Institut für Entwicklungbiologie in Kobe heraus.

Dies zeigt doch zumindest, dass die Informationen, wie das Gehirn auszusehen hat, irgendwo anders noch hinterlegt sein müssen. Ein einzelnes Gen, kann diese komplexe Struktur nicht kodieren. Gab es bei diesem einfachen Gehirn auch schon individuelle Anpassungen? Was geschah mit diesen Anpassungen? Wurden sie auch regeneriert?

Strudelwürmer können lernen

In den fünfziger Jahren überraschten die amerikanischen Wissenschaftler, James McConnell und Robert Thompson, die Welt mit einem sensationellen Versuch. Sie hatten Versuche mit Strudelwürmern unternommen. McConnell und Thompson wollten wissen, ob Tiere so primitiver Bauart in der Lage seien, etwas zu lernen. Sie beleuchteten ihre Strudelwürmer mit einer hellen Lampe, was diese normalerweise dazu veranlasst, sich auszustrecken. Unmittelbar auf das Lichtsignal folgend erhielten die Tiere einen leichten elektrischen Schlag, der eine heftige Kontraktion des Körpers bewirkte. Nach mehr als hundert solcher Erfahrungen hatte jeder Strudelwurm gelernt, dass Licht zugleich Schmerz bedeutet. Er zog sich bereits zusammen, wenn der Lichtstrahl ihn traf, also bevor der elektrische Schlag ausgelöst wurde.

Halbierter Wurm wächst zu 2 Würmer

Die Wissenschaftler schnitten darauf jeden Wurm in zwei Teile. Jede dieser Hälften regenerierte sich zu einem vollständigen neuen Wurm. Es wäre zu erwarten gewesen, dass der Wurm, der aus dem Kopfteil nachwuchs, die Lektion behalten hätte. Erstaunlicherweise stellte sich jedoch heraus, dass sowohl das Kopfteil als auch das Schwanzteil das Erlernte nicht vergessen hatte.

Die Versuche von McConnell und Thompson blieben zunächst umstritten, denn man konnte sie nicht in allen Punkten nachvollziehen. Übrig blieb die Erkenntnis, dass das Gehirn wohl nicht unbedingt und nicht allein der Sitz des Gedächtnisses sein muss.

Zerschnittene Würmer lernen schneller

Es wurden weitere Versuchse mit Strudelwürmern durchgeführt und schließlich machte man eine sehr seltsame Entdeckung: Schnitt man die trainierten Strudelwürmer in Stücke und verfütterte sie an ihre Artgenossen, so lernten diese den Licht-Schock-Versuch in wesentlich kürzerer Zeit als untrainierte Würmer. Auf geheimnisvolle Weise war das Wissen ihrer aufgefressenen Vorgänger in ihren Besitz gelangt.

Es muß noch ein Gedächtnis geben, dass Informationen auf der Ebene der Zellen abspeichert, unabhängig davon, wie die Zellen sich vernetzen. DIe Information wird nicht kodiert durch die Art der Vernetzung der Zellen, wie beim Gehirn, sondern es muß eine Informationsspeicherung auf molekularer oder atomarer Basis sein. Ist dies ein Hinweis auf die Funktionsweise der Homöopathie?

Die Forschungsergebnisse mit den Strudelwürmern bewerte ich als Indiz dafür, dass die Körperentität Repräsentant aller Körperzellen ist und dass die Körperentität ein eigenes Gedächtnis hat, das nicht durch Nervenzellen abgebildet wird.

Nager

Der Hirnforscher Jeffrey Macklis am Center for Nervous System Repair der Harvard Medical School in Boston untersuchte die Reaktion von Mäusegehirnen auf Umweltreize.  Er hat festgestellt, dass sich neue Nervenzellen in bestimmten Regionen des Vorderhirns bilden (Neurogenese). Bekamen die Mäuse am Tage der Entstehung der Nervenzellen neue Düfte zu riechen, dann wanderten die Nervenzellen in den Riechkolben des Gehirns und integrierten sich dort in die Schaltkreise.

Alte Nervenzellen sind durch die Wahrnehmung von neuen Düften kaum zu erregen. Mit jedem neuen Duft wird also eine neue Generation von Riechzellen geprägt und im Gehirn verankert. Welche alten Rezeptoren haben den Duft erkannt, wenn es noch keine Rezeptoren für den Duft gab? Wer hat dieser einen Zelle in Wartestellung den Auftrag gegeben, sich zu dem Spezialisten zu differenzieren, der dann genau diesen neuen Duft erkennt und sich dann so in das Gesamtgehirn integriert, dass das Bewusstsein, die Erlebnisentität der Maus, den neuen Duft erkennt?

Andere Versuche an Tieren haben gezeigt, wenn man die Neurogenese im Hippocampus unterbindet, dann ist das Langzeitgedächtnis für neue Eindrücke gestört. Stress ist ebenso Gift für die Neurogenese. Bei Stress werden Stresshormone (Glukokortikoide) ins Blut freigesetzt, die zwar momentan die Leistungsfähigkeit erhöhen, aber längerfristig die Produktion der Nervenzellen behindern und damit das weitere Lernen (Ausbau des Langzeitgedächtnisses) behindern. Gestresste Schüler können demnach nicht gut oder gar nicht lernen.

Neugeborene Ratten wurden für 15 Minuten von der Mutter getrennt. Selbst als die Tiere längst ausgewachsen waren, blieb die Neurogenese eingeschränkt. Gefühle sind bei der Bewertung, ob ein Erlebnis in das Langzeitgedächtnis kommt oder nicht, der entscheidende Faktor.

Vögel

Werden Nervenzellen bei Versuchen in der Hirnrinde zerstört, wachsen neue Nervenzellen heran. Bei Zebrafinken wurden die Neuronen, die für das Singen zuständig sind, zerstört. Die Finken hörten auf mit dem Singen. Neue Nervenzellen gediehen und nach vier Monaten sangen die Finken wieder. Wo war die Information sonst noch gespeichert, um die Reparatur fehlerfrei auszuführen?

Neue Neuronen werden im Gehirn gebildet

Die alte Aussage, dass sich Nervenzellen nach dem Säuglingsalter nicht mehr teilen ist damit als falsch bewiesen worden. Schon in den sechziger Jahren (1900) wurde durch radioaktive Marker in der DNS von Ratten, Katzen und Meerschweinchen festgestellt, dass nach einiger Zeit, diese Marker auch in Nervenzellen gefunden wurden. Damit wurde schon damals die Zellteilung von erwachsenen Zellen zu Nervenzellen (Neurogenese) bewiesen.

Untersuchungen an Menschen haben gezeigt, dass kognitive Aktivitäten die Herstellung neuer Nervenzellen anregen. Diese Lernreize können aus körperlichen Aktivitäten, geistigen Herausforderungen und sozialen Kontakten bestehen.

Mit der Neurogenese im Mutterleib ist die Produktion der Neuronen in unserem Gehirn noch keineswegs abgeschlossen. Im erwachsenen Gehirn entstehen ständig in bestimmten Bereichen des Telencephalon (Riechhirn) neue neuronale Vorläuferzellen, die in die Riechkolben einwandern und in Schaltkreise einbezogen werden, die möglicherweise auch dem Erlernen neuer Düfte dienen.

Auch im Hippokampus, einer für Lernprozesse wichtigen Struktur des Telencephalon, entstehen täglich neuronale Vorläuferzellen und wachsen zu Neuronen heran, die einerseits für die Plastizität, Lernfähigkeit und Kreativität des Gehirns mitverantwortlich sind und dabei das Gehirn mit Frischzellen versorgen. Sie werden an Orte verbracht, an denen sie gebraucht werden, weil alte Nervenzellen absterben, z.B. nach einem Schlaganfall oder weil Erkenntnisse in das Langzeitgedächtnis gebracht werden müssen, weil sie sich als sehr stabil erwiesen haben. Anlässlich eines Schlaganfalls soll die Zellteilungsrate im Hippokampus erhöht sein. Neue Nervenzellen sind leichter zu erregen als alte. Sie reagieren empfindlicher auf entsprechende Reize.

Neuronale Vorläuferzellen finden sich in fast allen Teilen des Gehirns. Rätselhafterweise scheinen diese Zellen oft in einer Art Dornröschenschlaf zu verharren. Kein Hirnforscher weiß zur Zeit, ob, wozu und unter welchen Umständen sie aus diesem Stadium geweckt werden können. Ich behaupte, dass sie für neue Erkenntnisse in diesen Bereichen bereit stehen. Allerdings gibt es zu viele Bereiche des menschlichen Lebens, bei denen keine Evolution mehr stattfindet, es passiert nichts neues mehr und deshalb müssen keine neuen Neuronen eingefügt werden. Wir wiederholen dann nur noch Bekanntes, wir sind zu konservativ.

Eine gestörte Neuronenproduktion im Hippokampus, etwa unter dem Einfluss von Dauerstress, Rauchen, starker Alkoholkonsum und andere Drogen wird heute mit verschiedenen Krankheitsbildern in Zusammenhang gebracht, z.B. den endogenen Depressionen.
Im täglichen Leben ist der Neuronennachschub positiv korreliert mit der Evolution unserer geistigen und körperlichen Fähigkeiten und durch immer neue soziale Kontakte. Sobald diese Aktivitäten fehlen, versiegt auch diese Neurogenese. Evolution wird durch positives Erleben belohnt. Stoppt unsere persönliche Evolution, dann werden wir depressiv, weil wir nicht mehr das oberste Ziel unserer Erlebnisentität verfolgen.

Emotionen werden nicht in Neuronen gespeichert

Wissenschaftler um Justin Feinstein von der University of Iowa in Iowa City berichteten 2010 im Fachmagazin PNAS, dass bei Alzheimer Patienten die Erinnerung an Emotionen unabhängig ist von der Erinnerung an das ihr zugrunde liegende Erlebnis.

Die Forscher führten ihre Studie mit Probanden durch, deren Hippocampus verletzt ist. Da diese Gehirnregion mitverantwortlich ist für das Abspeichern von neuen Erfahrungen, leiden die Betroffenen unter schwerem Gedächtnisverlust und vergessen neue Erlebnisse sofort wieder. Die Forscher zeigten ihnen jeweils einen kurzen Film – einer lustig, der andere traurig. Fünf bis zehn Minuten nach Filmende fragten sie die Versuchspersonen nach Details. Wie erwartet, erinnerten sich die Versuchsteilnehmer kaum mehr an den Film: Vier von fünf konnten sich maximal fünf Details vergegenwärtigen. Personen aus einer Kontrollgruppe mit unbeschädigtem Gehirn erinnerten sich im Schnitt an 30 Details.

In einer Befragung nach dem Gedächtnistest zeigte sich aber, dass die Emotionen immer noch vorhanden waren, die die Probanden während des Films erlebt hatten. Die Emotionen zweier Patienten blieben sogar deutlich länger bestehen als die von Gesunden, die den Film noch präsent hatten.
Dies zeigt eindeutig, dass für das emotionale Erleben des Ereignisses Informationen abgespeichert waren, aber für das erneute Durchleben des Films im Detail keine Anpassung im Kortex vorgenommen wurde.

Meine Interpretation dieses Befundes ist: Es muß eine Information über den Film abgespeichert sein, da augenscheinlich eine emotionale Erinnerung zu dem Film abgespeichert wurde. Die Probanten erleben die zum Ereignis zugehörenden Emotionen real, wie es andere, gesunde Menschen auch erleben.Sie konnten sich aber an kein zugehöriges Detail des Films erinnern.

Die Körperentität konnte für das momentane Erleben der Emotionen keine Aktualisierung im Gehirn mehr vornehmen, weil die Funktion der betroffenen Neuronen gestört ist.  Deshalb kann die Erlebnisentität dieses Erlebnis des Filmes nicht mehr abfragen, um darüber nochmals zu reflektieren, es exisistiert nicht. Die Bedeutung eines Films im allgemeinen muß allerdings schon vorhanden sein, da sonst die Fragestellung nicht funktioniert.

Die zugehörigen Emotionen werden von der Körperentität beigesteuert und der Eerlebnisentität mitgeteilt. Da das Gedächtnis der Körperentität nicht von der Aktualisierung des neuronalen Netzes abhängig ist, bleibt die Erinnerung an die erlebte Emotion länger bestehen. Generell bleiben Emotionen von momentanen Erlebnissen länger bestehen, als das eigentliche Erlebnis. Emotionen haben eine längere Halbwertzeit, bevor sie von neuen Emotionen von neuen Erlebnissen überlagert werden.

Der erfahrene Kardiologe und Neurologe Dr. Paul Persall beschreibt in seinem Buch “The Heart`s Code” einige Fälle von Menschen mit transplantierten Organen, die plötzlich Vorlieben für Dinge und Erlebnisse entwickeln, die ganz im Gegensatz zu ihren frühere Vorlieben stehen. Es sind in allen Fällen plötzliche Veränderungen der emotionalen Färbung von Aktivitäten für kurzfristige und mittelfristige Ziele zu erkennen. Er erklärt dies mit einem zellulären Gedächtnis, was auch die einzige logische Erklärung ist.

Dr. Pearsall untersuchte Parallelen zwischen Organspendern und Empfängern. Er beschäftigte sich mit den Persönlichkeitsveränderungen nach Herztransplantationen und interviewte intensiv mehr als hundert Herzempfänger. Hier ein paar Beispiele.

Ein 10-jähriges Mädchen hatte das Herz einer Achtjährigen erhalten, die umgebracht worden war. Seit der Transplantation wurde das Mädchen von so schweren Alpträumen geplagt, dass ihre Eltern sie in psychologische Behandlung schickten. In den Sitzungen berichtete das Kind detailgenau davon, wie es umgebracht wurde. Dies geschah so realistisch, dass die Psychologin die Polizei zu diesem Fall hinzuzog. Die Experten waren fassungslos. Die Informationen der Träume entpuppten sich in allen Details als so korrekt, dass der Mörder des achtjährigen Mädchens, von dem das Herz stammte, identifiziert und verurteilt werden konnte.

Eine 35 jährige Frau, die das Herz eines Callgirls erhalten hatte, gab zu Protokoll: „Ich hatte nie viel Interesse an Sex. Heute aber kann ich nicht genug bekommen und lege sogar einen Strip für meinen Mann hin!“.

Ein 47 jähriger Arbeiter ohne kulturelle Neigungen, dem man die Leber eines jungen Geigers übertragen hatte, versetzte seine Umgebung mit der plötzlichen Liebe zur klassischen Musik in Erstaunen.

Die 37 jährige Amerikanerin Catherine Bechman, in der das Herz eines 11 jährigen Jungen schlägt, klagt seit der Transplantation über Rückenschmerzen. Sie lässt sich von einer Chiropraktikerin mehrere Wochen behandeln – vergeblich. Diese äußert eine vage Vermutung: Ob es nicht sein kann, dass Catherines Schmerz mit der Stelle übereinstimmt, an der das Kind vom Auto angefahren wurde? Catherine nimmt mit der Familie Kontakt auf und erfährt: Der Junge wurde beim Unfall tatsächlich genau dort am Rücken verletzt, wo sie jetzt Schmerzen hat.

Das emotionale Gedächtnis ist wahrscheinlich nicht im neuronalen Netz kodiert.