Bewegung

Zur willentlichen Fortbewegung  einer Zelle benötigt sie Strukturen in der äußeren Membran oder Zellwand, die Bewegung ermöglichen. Dies geschieht durch Ausbildung von Scheinfüßchen, die an der Zellwwand entlang wandern oder durch fadenförmige Ausstülpungen der Zellwand, die eine Bewegung ausführen können.

Die Geißeln der Eukaryoten sind fädige, von der Zellmembran umschlossene Ausstülpungen der Zelle, in deren Inneren sich jeweils ein Bündel von Mikrotubuli befindet und die durch aktive Formveränderung eine Bewegung bewirken.

Flagellen sind bei Bakterien vor allem für die Bewegung in Flüssigkeiten und über Oberflächen notwendig, sie sind aber auch bei der Anheftung an verschiedenste Oberflächen beteiligt. Manche Pili spielen eine große Rolle bei der Wirtserkennung und Invasion von krankmachenden Bakterien, bei der Fortbewegung auf Oberflächen und beim DNS-Transfer.

Bakterien bewegen sich meist frei im Flüssigmedium schwimmend, angetrieben durch Flagellen, auch als Geißeln bezeichnet.  Die Flagellen der Prokaryoten sind gewendelte Proteinfäden außerhalb der Zellmembran, die sich nicht aktiv verformen, an ihrem in der Zelle verankerten Ende durch einen Motor in Drehung versetzt werden und auf diese Weise, ähnlich wie ein Propeller, einen Schub oder Zug ausüben.

Obwohl man weiß, dass Archaeen ebenfalls Flagellen, Pili und andere einzigartige Zelloberflächenstrukturen besitzen, ist bisher nur wenig über den Aufbau dieser Strukturen in der Membran von Archaeen und deren Funktion bekannt.

In einem Bericht der Max Planck Gesellschaft über Oberflächenstrukturen von Archaeen (www.mpg.de/print/435560) wurden Zellausstülpungen bei Archaeen der Gattung Sulfolobus untersucht.

Die Zelloberfläche der meisten Archaeen besteht aus einem zweidimensionalen Proteinkristall, der den Zellen Stabilität verleiht, denn sie besitzen keine Zellwand, wie dies bei Bakterien typisch ist. Zelloberflächenstrukturen, wie z.B. Flagellen und Pili, sind in der Zytoplasmamembran verankert und müssen das S-Layer durchqueren.

Es gibt verschiedene Typen von Pili, die sich in ihrem Protein, ihrer Länge und Durchmesser und in ihrer Funktion unterscheiden. Die Länge variiert zwischen etwa 0,1 und etwa 20 µm, ihr Durchmesser 2 bis etwa 20 nm. Beispiele für Funktionen: Anheftung an eine Grenzfläche Feststoff/Flüssigkeit oder Gas/Flüssigkeit, Anheftung an andere Bakterien, Anheftung an die Oberfläche tierischer Zellen. Bei Anheftung an die Grenzfläche Luft/Flüssigkeit können sie aus der Flüssigkeit Nährstoffe entnehmen und aus der Luft Sauerstoff.

Die Flagellen der untersuchten Archaeen sind mit bis zu 14 nm Durchmesser am breitesten und sind oft wellenförmig. Pili sind mit einem Durchmesser von 10 nm deutlich dünner, können mehrere Mikrometer lang sein und stellen sehr gerade Strukturen dar. Die dritten sichtbaren Filamente werden als sehr dünne Pili bezeichnet und haben nur einen Durchmesser von 5 nm.
Für halophile und methanogene Archaeen wurde demonstriert, dass Flagellen Motilität in Flüssigmedien ermöglichen.

Eine Flagellen-Deletionsmutante von S. solfataricus konnte nicht mehr auf Oberflächen schwärmen. Auch die Adhäsion an organische und anorganische Oberflächen war in dieser Flagellenmutante inhibiert

Ein weiteres Pili-System kommt nur nach der Bestrahlung mit UV-Licht zum Einsatz. Die Bildung dieser Pili an der Zelloberfläche bewirkt eine gerichtete Zellverklumpung, die dazu führt, dass bis zu 90\% der bestrahlten Zellen nach sechs Stunden in großen Ansammlungen vorliegen. Diese Aggregate lösen sich nach ungefähr zehn Stunden wieder auf.

Es wurde kürzlich demonstriert, dass UV-Licht in Sulfolobus die Rekombinationsrate um mehrere Größenordnungen erhöht. Daher wird postuliert, dass das UV-induzierbare Pilisystem ein neuartiges DNS-Austausch-System darstellt.

Das dritte beschriebene System ist das Bindosom. Dieses System ist bisher einzigartig für diesen Organismus. Hier formen zuckerbindende Proteine einen Komplex in der Zellwand, der es dem Einzeller ermöglicht, Zucker auch bei niedrigsten Konzentrationen effektiv aufzunehmen. Auch für diese zuckerbindenden Proteine wurde ein membranassoziiertes System identifiziert, das für die korrekte Assemblierung dieser Proteine zur aktiven Teilnahme am Transportprozess notwendig ist.

Die Analyse aller sequenzierter archaealer Genome hat gezeigt, dass alle Archaeen eine Genstruktur zeigen, die den Schluss zulassen, dass Archaeen in der Lage sind, viele noch nicht identifizierte Oberflächenstrukturen zu bilden.