Die Attraktivität der Person

Neurobiologische Untersuchungen behaupten: Wenn ein Mann eine halbwegs attraktive Frau erblickt, werden die gleichen Hirnregionen aktiviert, wie wenn er unbändigen Hunger verspürt. Wird eine Frau gesichtet, läuft beim Mann immer das gleiche Programm ab. Feldstudien in Japan und Deutschland ergaben, dass Männer generell alle Frauen interessant finden. Sie stufen ihre Chancen fast immer besser ein, als sie in Wirklichkeit sind.

Anschließend versuchen sie, die schönsten Frauen zu beeindrucken. Egal, ob das gelingt oder nicht, Männer glauben, sie seien die Jäger, in Wirklichkeit bestimmt jede Frau zu hundert Prozent selbst, ob und von wem sie sich erlegen lassen will.

Zur Paarbildung gehören nun einmal zwei Personen. Meiner eigenen Beobachtung nach haben bei der Mehrheit aller Paare, beide Teile ein ähnliches Attraktivitätsniveau. Der Volksmund sagt, dass jedes Töpfchen seinen Deckelchen findet.

Körperentität

Körperliche Schönheit lässt sich millimetergenau messen, durch die Winkel, Abstände, Größenverhältnissen und die Symmetrie von Lippenhöhe, Wangenknochen, Nasenlänge, Untergesichtsgröße, Hüfte, Brust, Taille und Beinlänge. Das Gebiet der mathematischen Vermessung gilt heute aber als praktisch komplett erforscht. Die körperliche Attraktivität ist ein komplexes Zusammenspiel von verschiedenen Merkmalen: Schönheit, Verhalten, Bewegungsabläufe, Mimik, Körperduft, Hauttextur und Haarqualität spielen eine Rolle.

Die Körperentität nimmt die verschiedenen Merkmale in Millisekunden auf, verarbeitet diese Informationen zu einem Gesamtbild und beurteilt es sofort. Eine beeindruckende Leistung, die neurobiologisch noch nicht entschlüsselt werden konnte.

Der Anthropologe Karl Grammer hat untersucht, was die Attraktivität und Schönheit für den Menschen ausmacht. Folgende Kriterien wurden unabhängig vom Kulturkreis und von Moden gefunden.

Schönheitskriterium Nummer eins ist die Jugend. Wir versuchen alle möglichst jung auszusehen. Schönheitschirurgie und Hersteller von Hilfsmittel leben davon. Jugend bedeutet Aktivität und Leistungsfähigkeit.

Das Schönheitskriterium Nummer zwei ist der Durchschnitt. Das Gesicht und der Körper dürfen keine Extremmerkmale aufweisen. Vermaßt man die verschiedenen Gesichter und Körperregionen einer größeren Anzahl von unterschiedlichen Menschen und erstellt aus den Messwerten dann einen Menschen mit den Durchschnittswerten der einzelnen Merkmalen, so kommt ein Mensch heraus, den alle Menschen als schön empfinden. Diese Durchschnittlichkeit der Merkmale bedeutet wohl auch, dass wir von allen Charaktermerkmalen (Entwicklungskomplexe (Ur-Ideen) der Spezies Mensch) gleiche Anteile haben und können damit optimal auf alle Anforderungen des Lebens reagieren.

Das dritte Schönheitsmerkmal sind sichtbare Hormonmarker des Körpers. Bei Frauen sind das zarte Gesichtszüge, eine schlanke Taille und die typische Fettverteilung des weiblichen Körpers. Bei Männern sind das eher breite Schultern, gute Muskulatur und Größe. Ein ausgeprägtes männliches Kinn wird als Stärke interpretiert.

Das vierte Kriterium ist ein symmetrischer Körper und symmetrische Gesichtsformen, die für gute Gene stehen, da Abweichungen von der Symmetrie, die beim Fötus in der Entwicklung immer vorkommen, gut ausgeglichen wurden.

Das fünfte Kriterium sind glänzendes, volles Haar und rosige Wangen. Der Zustand von Haut und Haaren ist auch ein guter Indikator für das Alter.

Das sechste Kriterium ist die Stimme. Sie ist Ausdruck von Alter, Körpergröße, Gewicht und seelische Verfassung. Männliche Stimmen sollen weich und tief klingen. Die weibliche Stimme soll hoch aber nicht piepsig klingen.

Das siebte wichtige Schönheitssignal ist Bewegung. Ein schöner Körper bewegt sich geschmeidiger als ein unförmiger. Die Bewegung sagt viel aus über Fitness, Dynamik und innere Koordination des Gehirns. Frauen bewegen sich während des Eisprungs wesentlich attraktiver als sonst.

Das achte Kriterium für Schönheit ist der Geruch. Bei einer Untersuchung mit verschwitzten Tshirts wurde festgestellt, dass Männer den Geruch von solchen Frauen je angenehmer beurteilen je attraktiver das Gesicht dieser Frauen war.

Lapdance

Geoffrey Miller, Psychologe und Evolutionsbiologe an der University of New Mexico hat das Spendierverhalten von Kunden beim „lap dance“ in den USA untersucht. Beim “lap dance” sitzt der Mann auf einem Stuhl und die barbusige  Frau sitzt auf seinem Schoß, mit dem Gesicht ihm zugewandt und bewegt sich rhythmisch zur Musik, wie bei einem Geschlechtsakt. Dies dauert ca. drei Minuten. Der Mann bezahlt für diese Dienstleistung mindestens 10 Dollar oder mehr, je nach Zufriedenheit. Geoffrey Miller fand heraus, dass Frauen, die in der fruchtbaren Phase waren, im Durchschnitt 335 Dollar verdienten, Frauen, die in der Menstruation waren, verdienten dagegen nur 185 Dollar.

Unsere Körperentität ist in der Lage, ohne unsere Erlebnisentität, die Attraktivität eines potentiellen Partners, im Sinne seines Ziels der Arterhaltung, innerhalb einer Sekunde zu beurteilen. Attraktivität bedeutet, eine gute Gene und eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine erfolgreiche Aufzucht der Nachkommen (sozialer Status bei Männer und Anzeichen für eine gute Mutter bei Frauen).

All diese komplexen Prozesse des Erkennens und des Beurteilens der Attraktivität und Zielverfolgung der Weitergabe der Gene werden von der Körperentität, ohne unsere Erlebnisentität vorgenommen. Da unsere Erlebnisentität ab der Pubertät die oberste Kontrolle über die Person hat, wird die Beurteilung eines potentiellen Sexualpartners durch unsere unsererer Erlebnisentität durch Gefühle mitgeteilt. Wir empfinden uns dann entsprechend dieser Beurteilung zu dieser Person gefühlsmäßig hingezogen oder abgestoßen. Dies hat schon vor Millionen von Jahren funktioniert, bevor uns die Wissenschaft die Zusammenhänge bewusst gemacht hat.

Erlebnisentität

Zusätzlich zur Beurteilung durch die Körperentität gibt es auch noch die Beurteilung durch unserer Erlebnisentität. Die Attraktivitätsmerkmale der Körperentität, die sehr stark unser Gefühlsleben bestimmen werden noch überlagert mit Attraktivitätsmerkmalen unserer Erlebnisentität, die aus den intellektuellen Fähigkeiten des potentiellen Sexualpartners bestehen können.

Viel bedeutender ist aber die Beurteilung des Partners im kulturellen Zusammenhang. Erlauben es die Moralvorstellungen meines Umfeldes, sich mit diesem Partner einzulassen? Steige ich in der sozialen Hierarchie durch eine soziale Bindung an diese Person? Überfordert mich eine solche Bindung auch nicht? Oder kann ich hierbei nur das Vergnügen wählen und die soziale Bindung ablehnen? Oder warte ich, bis jemand vorbei kommt, der besser zu mir passt?

Die Erlebnisentität muss zwischen den emotionalen Verlockungen der Körperentität und der möglichen sozialen Nachteile einer Verbindung mit diesem Partner abwägen. Es entscheidet sich immer für eine weitere Vorgehensweise.

  • Gegensätze ziehen sich an!
  • Gleich und Gleich gesellt sich gern!

Diese beiden Aussagen des Volksmundes sind zwar widersprüchlich und sind doch beides wahre Aussagen. Meiner Beurteilung nach gilt die erste Aussage für die Präferenzen der Körperentität und die zweite Aussage für die Präferenzen der Erlebnisentität.

Die Körperentität beurteilt die körperliche Attraktivität entsprechend den oben erwähnten Attraktivitätsmerkmalen. Es beurteilt aber auch die psychische Konfiguration des potentiellen Sexualpartners. Es werden beim Partner besonders solche psychischen Merkmale als attraktiv angesehen, die bei der eigenen Erlebnisentität nicht stark ausgeprägt sind.

Es sind die Merkmale, die zum Geschlecht passen und solche, die von der eigenen Erlebnisentität noch nicht ausreichend integriert wurden. So wird versucht zumindest im Team der Partnerschaft alle psychischen Komponenten der Evolution zu integrieren, um dadurch maximalen Erfolg der Aufzucht zu ermöglichen. Außerdem hilft es der eigenen Erlebnisentität sich schnell weiter zu entwickeln. Ein gutes Paar stellt so in der Summe dar, was durchaus auch als Zielkonfiguration der Psyche der Einzelperson angesehen werden kann.

Die zweite Aussage gilt für die Beurteilung der Attraktivität der Erlebnisentität. Gleiche intellektuelle Fähigkeiten, Interessen und gleicher sozialer Status werden von der Erlebnisentität bevorzugt. Außerdem gibt es noch eine Menge an Forderungen von anderen Erlebnisentitäten aus dem persönlichen Milieu der Erlebnisentität für die Partnerwahl. Es sind die Anforderungen des lokalen Kulturverständnisses.
Die Erlebnisentität muss aus all diesen verschiedenen Aspekten selbst zu einer Beurteilung und Entscheidung kommen, wie es die Person beurteilt und einstuft. Es kann sich anders entscheiden, als es unsere Körperentität alleine getan hätte. Wir würden uns dann aber gegen unser Gefühl entscheiden und hätten schon wieder einen Konflikt in uns generiert, besonders dann, wenn diese Entscheidung nicht unsere eigene innere Überzeugung war, sondern kritiklos von anderen übernommen wurde.

Genau genommen geschieht die Beurteilung anderen Personen durch unsere Körperentität und Erlebnisentität ständig. Jede neue Bekanntschaft wird von unserer Körperentität beurteilt, sofort eingestuft und unsere Erlebnisentität emotional mitgeteilt. Nicht nur die Einordnung in potentielle Sexualpartner, sondern auch die Einteilung in Freund, Feind, interessant, uninteressant, nützlich, schädlich, usw. wird vorgenommen. Diese Zuordnung bestimmt weitestgehend unser weiteres Verhaltensmuster gegenüber dieser Person.

Wir haben gesehen, dass unsere Körperentität hochkomplexe Aufgaben zu bewältigen hat, um die Systemstabilität unseres Körpers und die Weitergabe unserer Gene zu gewährleisten. Der bewusste Beitrag unserer Erlebnisentität zu diesen Zielen ist heute noch relativ gering, wird aber durch die Möglichkeiten der Medizin und den wirklichen Erkenntnissen der Menschheit immer größer.