Kreativität

Lernen von Jennifer Mueller: Wann werden kreative Ideen abgelehnt? ( vom 19. März 2012)

Unsicherheit führt dazu, dass kreative Ideen unbewusst abgelehnt werden. Zu diesem Ergebnis kommen Jennifer Mueller von der Wharton School und ihre Forscherkollegen in der letzten Ausgabe der Fachzeitschrift Psychological Science. In zwei Experimenten lösten sie Unsicherheit aus und erfassten danach die implizite und explizite Ablehnung von Kreativität. Während sich die Teilnehmer bewusst in der unsicheren Situation für kreative Ideen aussprachen, verwarfen sie diese jedoch unbewusst.

Das Kreativitätsparadox

Jennifer Mueller ist Kreativitätsforscherin und hat eine Assistenzprofessur für Management an der Wharton Business School der University of Pennsylvania inne. Zusammen mit ihren Kollegen Shimul Melwani und Jack Goncalo hat sich sich des Kreativitätsparadox angenommen.

Kreativität wird allenthalben hochgelobt, wird als die durchschlagende Fähigkeit des modernen, sich selbst erneuernden Menschen gefeiert. Aber dennoch erscheint der Alltag seltsam unkreativ und in langweiligen Routinen verhaftet. Hinzu kommt häufig eine kreativitätsfeindliche Haltung: „Ach nein, das scheint mir jetzt aber doch etwas zu verrückt.“ Und kreative Mitarbeiter werden hinter vorgehaltener Hand belächelt.

Wie kann man sich den Jubel und gleichzeitig das Jammern über den kreativen Habitus erklären? Mit Unsicherheitsvermeidung, meinen die Forscher. Wenn eine Situation unsicher erscheint, möchte man sich dagegenstemmen. Alles, was noch unsicherer macht – wie eine neue, riskante Idee – wird blockiert. In unsicheren Situationen und wenn Menschen Unsicherheit vermeiden, sollten sie daher insgeheim Kreativität ablehnen. Diese Annahme überprüften die Autoren in zwei Experimenten.

Experiment 1: Unsicherheit

Im ersten Experiment wurde einer Gruppe gesagt, dass sie an einer Lotterie teilnehmen und damit keinesfalls sicher Geld verdienen würde. Das war die Unsicherheitsbedingung. Der anderen Gruppe wurde nichts über eine zusätzliche Verlosung gesagt. Danach wurden ihre impliziten und expliziten Abneigungen gegenüber Kreativität gemessen.

Beim impliziten Test sollten die Teilnahme nach angezeigten Wortpaaren am Bildschirm eine Taste drücken. Die Wortpaare enthielten ein Kreativitätswort und dazu entweder ein negatives (z.B. „einfallsreich“ und „Gift“) oder ein positives Substantiv („einfallsreich“ und „Sonnenschein“). Wenn die Teilnehmer sich für negative Wortpaare mehr Zeit zum Drücken ließen als für positive Paare, waren sie gegenüber Kreativität negativ eingestellt. Beim expliziten Test sollten die Teilnehmer angeben, wie sehr sie die Kreativitätswörter „einfallsreich“, „kreativ“, „originell“ und „neuartig“ mochten.

Ergebnis: In der Unsicherheitsbedingung lehnten die Studenten Kreativitätswörter ab – aber nur implizit und unbewusst. Ihre offen ausgesprochene Meinung zu Kreativität war nach wie vor positiv.

Experiment 2: Unsicherheitsvermeidung

Im zweiten Experiment sollte eine Gruppe einen Aufsatz zum Thema schreiben: „Für jedes Problem gibt es nur eine richtige Lösung“. Die andere Gruppe schrieb über: „Für jedes Problem gibt es mehr als nur eine richtige Lösung.“ In der ersten Bedingung vermieden die Teilnehmer damit Unsicherheit, in der zweiten Bedingung nicht.

Danach führten sie den impliziten und expliziten Abneigungstest gegenüber Kreativität aus Experiment 1 durch. Zusätzlich sollten sie noch bewerten, für wie kreativ sie folgende Erfindung hielten:

„Ein Laufschuh mit Nanotechnologie, dessen Materialdichte sich automatisch anpasst und dadurch den Fuß kühlt sowie Blasen verhindert.“

Ergebnis: Die Unsicherheitsvermeider hatten implizit Abneigungen gegenüber Kreativität und mäkelten am an und für sich kreativen Turnschuh herum. Die Unsicherheitstolerierer befürworteten explizit und implizit Kreativität und fanden auch den Turnschuh kreativ und praktisch.

Unsicherheit würgt Kreativität ab

Unsicherheit würgt also Kreativität ab. Man will sie vermeiden und sucht nach sicheren Problemlösungen. Mit dem Ergebnis, dass Kreativität unbewusst abgelehnt und bewusst an kreativen Produkten herumgemäkelt wird.

Die Ironie an der Sache: Neue Probleme, die heikel und unsicher erscheinen, setzten fast automatisch einen kreativen Denkprozess in Gang, mit dem unverbrauchte Handlungsalternativen gesucht werden. Dass damit gleichzeitig Kreativität blockiert wird, lässt die Zwickmühle erkennen, über die auch viele Unternehmen klagen. Neue Produkte und Dienstleistungen werden danach sogar im Kreis kreativer Kollegen häufig abgewertet und blockiert.

Die Forscher fordern daher, dass „die Kreativitätsforschung zukünftig weniger untersuchen sollte, wie noch mehr kreative Ideen erzeugt, sondern wie kreative Ideen besser akzeptiert werden“.